Röhrenverstärker werden gegenüber ihren Transistorrivalen als warmklingend bezeichnet. Dabei spielen die vom menschlichen Ohr empfundene Wärme, Dynamik sowie Natürlichkeit eine große Rolle. Bei der Wiedergabe über Röhrenverstärker trägt das Ausgangssignal neben dem eigentlichen Hauptklang mehr Obertöne mit sich als Transistoramps, was in der Regel als Klirrfaktor bezeichnet wird. Während diese Obertöne bei Tansistoramps deutlich leiser ausfallen, wirken sie beim Röhrensound für das Ohr passender und angenehmer, hauptsächlich im tieferen Mittel sowie Bassbereich. Effektschaltungen zur Klangverbesserung werden hier oft überflüssig. Die als angenehm empfundenen Verzerrungen entstehen besonders in der Vorstufe, also bei der Spannungsverstärkung. Die hier als Verzerrung auftretenden Oberwellen werden beim Röhrenverstärker als weicher und weniger aufdringlich empfunden. Die Faszination dieser analogen Röhrenverstärkung hat sich in unserer digitalen Welt in der letzten Zeit wieder stark vergrößert und viele Firmen greifen wieder auf Uralt-Röhrenschaltungen / Phono-Technik u.s.w. aus alten Zeiten zurück. Diese werden dann als neuartige Wunderwerke verpackt und zu horrenden Preisen angeboten.
Der kleine Klangvorteil, den Laien nicht mal wahrnehmen steht natürlich in keinem Verhältnis zu dem Gewicht, dem Preis und dem Stromverbrauch zu gleichstarken Transistor / Digitalverstärkern und sollte man trotzdem Röhrensound unbedingt haben wollen, so ist wie üblich in solchen Fällen ein Kompromiss angesagt.
man nehme......eine halbe ECC83 zur Spannungsverstärkiung, eine halbe ECC82 zur Stromverstärkung/ Anpassung an Transistorendstufe sowie eine Bootstrapschaltung zur Befeuerung der Spannungsverstärkung auf über 100fach. Mit beiden Röhren hat man also alles zusammen, um die Spannungsverstärkung einer 2 x 30 W RMS Stereoendstufe zu realisieren. Nachträglich baut man die Transistorendstufe, die galvanisch von den Röhren getrennt sein muss, hinzu. Man sollte sich hier bewusst sein , dass eine ECC82 mit 4 mA betrieben wird und man nicht irgendeine 200W-Endstufe nachschalten kann, wo der Strom der ECC82 nicht ausreicht. In dem Fall muß eine ECC99 oder ähnlich wie bei " Röhrensound mit Megapower " Verwendung finden, die wenigstens 10mA liefert.
Die nachgeschaltete Transistorendstufe ist wiederum eine komplementäre Darlingtonschaltung, die durch Dioden ( D5-D6 ) gegen Übersteuerung abgesichert ist, die Basis- Emittervorspannung über Dioden ( D3-D4 ) geregelt ist und bei der die Treiberwiderstände R10 / R11 eine Überhitzung der Endtransistoren und Kühlrippen regulieren. Der Endstufenteil wird mit 32 Volt betrieben und der Lautsprecher über Koppelkondensator C13 angesteuert. Diese Endstufe ist mit einmal 32 Volt begrenzt auf 13 bis 15 Watt RMS bei 4 Ohm.
Durch Elko C16 und Rückführung des EC82-Ausganges zur Anode der EC83 wird die Spannungsverstärkung nochmal zusätzlich gepusht und die für die Röhrenschaltung typische, aber gewollte Verzerrung durch Oberwellen hervorgehoben. Der Klang wird so noch etwas kerniger in den unteren Frequenzbereichen und auch angenehmer fürs Ohr.
Ein großer Nachteil einer solchen Hybridschaltung stellt natürlich das Netzteil dar. Man benötigt eine Anodenspannung und eine Heizspannung für die Röhren, desweiteren die Betriebsspannung der Transistorschaltung. Die einfachste Möglich keit wäre natürlich ein Transformator mit den 3 benötigten Spannungen. Es geht aber auch billiger mit einer einzigen 22V-Wicklung. Hier werden die Heizungen der Röhren in Reihe an die Wechselspannung angeschlossen, die Anodenspannung über eine 3fache Villard-Kaskade auf über 200 V gebracht und nachträglich auf 170V stabilisiert. Die Transistor- Stromverstärkung wird über eine Gleichrichterschaltung betrieben bei ungefähr 32V Gleichspannung.
Achtung: wird die Villard-Kaskade mit 68V-Elkos betrieben, was wegen der Größe der Elkos ideal erscheint, so darf das Netzteil nicht im Leerlauf stromführend sein, da die Kondensatoren sich dann teilweise auf bis zu 70 Volt aufladen, was zur Explosion derselben führen könnte. Dasselbe gilt für die Kondensatoren C1 /C2, die durch die Villardkaskade bei Leerlauf auf über 50 Volt aufgeladen werden.......also nicht ohne Belastung einschalten!!!
Diese verbesserte Schaltungsvariante bringt natürlich mit getrennter +/- 32V-Spannung an der Endstufe einige Vorteile, aber auch Nachteile.
Vorteile:
1: Leistungssteigerung auf über 30 Watt RMS pro Kanal
2: Villard-Kaskade wirkt sich spannungsmässig nicht mehr auf Endstufenspannung aus
3: Koppelkondensator am Ausgang fällt weg
4: Bessere Frequenzlinearität durch Rückkopplung R3 / C5.....linear von 25 Hz bis 50 KHz
5: Dreidrahtschaltung kontroliert +/- Endstufenspannungen und reguliert Endstufentemperatur
Nachteile:
1: Villardkaskade muß vervierfacht werden auf 230 Volt
2: Die Endstufe wird merklich sensibler auf Eigenschwingen
3: ein Lautsprecher / Temperaturschutz wird von Nöten beim Ausfall einer der beiden +/- Spannungen
Die kleine Schaltung zur Temperaturreduzierung und Lautsprecherschutz kann auf eine eigene, kleine Platine gelötet werden, wobei die beiden Transistoren in direktem Kontakt mit der Kühlrippe sein sollten. Die Schaltung reagiert sowohl auf Temperaturerhöhung sowie auf Stromzunahme über R10 / R11 und sperrt in dem Fall die Treibertransistoren mehr oder weniger. Ich bezeichne die Schaltung als Dreidraht-Schaltung, weil sie lediglich mit 3 Drähten an die Hauptplatine angeschlossen wird, also auch nachträglich hinzugefügt werden kann. Mit den Werten der beiden Elkos kann man die Reaktionszeit der Schaltung regulieren ( Werte zwischen 1.....22µF ) sind getestet worden und erweisen sich als akzeptabel
Dieses Netzteil ist unproblematischer als das oben vorgestellte. Hier entstehen keine Überspannungen durch die Villard-Schaltung, die allerdings jetzt durch vierfache Ausführung über 230 V erzeugt. Der Netztrafo hat sekundär 2 x 22V.